Cem Özdemir
Bundesvorsitzender BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Hochschulen haben für die Gesellschaft einen besonderen Wert: Hier werden die großen Fragen gestellt, Antworten gesucht und Perspektiven entworfen. Die Hochschule darf in ihrer wichtigen Funktion deshalb keine Kaderschmiede für eine kleine Elite darstellen, sondern muss eine sozial, ökologisch und ökonomisch nachhaltige Hochschule für alle sein! Diesen Anspruch verkörpert gerade auch das Bildungswerk Campusgrün, weshalb ich gerne die Schirmherrschaft übernehme.
Wir haben noch viel zu tun. In den nächsten Jahren brauchen wir mehr Studienplätze, bessere Studienbedingungen und eine Bologna-Qualitätsreform. Dass viele Studieninteressierte keinen Studienplatz bekommen oder beim Übergang zum Master-Studium vor verschlossenen Türen stehen, ist genauso falsch wie das Studieren im Turbo-Durchlauf – ohne Zeit und Muße zum Lesen und Grübeln, vertieften Lernen und Nachdenken. Bologna ist eine gute Idee. Bei der Etablierung eines gemeinsamen europäischen Hochschulraums hat Deutschland aber noch eine Menge zu tun. Die grenzüberschreitende Anerkennung von Leistungen im Ausland funktioniert noch nicht allerorts, Bachelor- und Master-Studiengänge müssen auch individuellen Freiraum lassen.
Besonders dringlich ist, dass die hohe soziale Selektivität beim Zugang an die Hochschule endlich effektiv bekämpft wird. Wir brauchen schließlich mehr Studierende, nicht etwa weniger. Studiengebühren sind falsch, sie schrecken gerade diejenigen ab, die wir besonders für die Hochschule gewinnen müssen. Statt Deutschlandstipendien für Wenige brauchen wir eine BAföG-Erhöhung. Mittelfristig muss das BAföG zu einem Zwei-Säulen-Modell weiterentwickelt werden – bestehend aus einem elternunabhängigen Sockel und einem Bedarfszuschuss als starker sozialer Komponente. Zudem wollen wir es mit einem Erwachsenen-BAföG Menschen mit Berufserfahrung ermöglichen, unsere Hochschulen zu bereichern und sich weiterzubilden.
Die hohe Abbrecherquote unter den Studierenden können wir nur verringern, wenn wir für bessere Beratung, Betreuung und Qualität sorgen. Ja, das gibt es nicht umsonst. Aber Politik muss den Mut haben, Prioritäten zu setzen – und finanzielle Mittel für das Bildungssystem sind keine verschwendeten Ressourcen, sondern die nachhaltigste aller Investitionen. Nicht nur für die Menschen selbst und unsere Wirtschaft, sondern auch für unsere Demokratie und Zivilgesellschaft.