Bericht: Sommerakademie zu Bologna Reloaded, 28.08.-1.09.2013 in Kyritz

Ziel des Seminars
Ziel des Seminars war es die Grundzüge der Bolognareform und ihre Auswirkungen auf EU-, Bundes-, Landes- und Hochschulebene den Anwesenden Studierenden zu erläutern und bestehende Kenntnisse inhaltlich zu erweitern. Dabei sollte aufgezeigt werden, welche Vorteile, Nachteile und Chancen der Reformprozeß anbietet bzw. mit sich bringt und wie diese Reformvorhaben in der Praxis der letzten Jahre an den Herkunfts-Hochschulen der Studierenden konkret umgesetzt wurden.
Ferner sollten aktuelle Probleme wie die Anzahl und Vergabe von Masterplätzen, auslaufende Studiengänge, das Akkreditierungswesen und die Geschlechterpolitik thematisiert werden. Den Anwesenden sollten eine Vielzahl konkreter Handlungsfelder für ein mögliches eigenes hochschulpolitisches Engagement aufgezeigt werden. Sie sollten dazu motiviert werden, sich im geschützten Rahmen der Sommerakademie einmal selbst an einem Vortragsthema zu versuchen und ihre Fähigkeiten dahingehend zu erweitern.
Die Sommerakademie hatte das allgemeine Ziel Studierenden aus unterschiedlichen Regionen Deutschlands eine Plattform zu bieten, mit Hilfe derer sie sich vernetzen können, um die Motivation und Mitarbeit an bestimmten Themen- und Fragestellungen zu ermöglichen und weiter voranzutreiben.

Verlauf des Seminars
Die Sommerakademie fand von Mittwoch, 28. August 2013 bis Sonntag, 01. September 2013 in der Stadt Kyritz in Brandenburg statt. Tagungsort war das Gutshaus Gantikow im gleichnamigen Ortsteil Gantikow.
Allen Teilnehmer*innen wurde umfangreiches Material wie Broschüren, Flyer und Auszüge aus diversen Studien zur Verfügung gestellt. Ziel der Dokumentation war es, den Anwesenden die Möglichkeit zu bieten, die erarbeiteten Ergebnisse der Sommerakademie nachhaltig an ihren Hochschulstandorten zu verarbeiten und im Anschluss gemeinsam mit weiteren Studierenden auszutesten.

Erster Seminartag: 28. August 2013
Nach Ankunft und Begrüßung der Teilnehmer*innen erfolgte ein erster Überblick über das Seminar. Nach dem Abendessen hatten die Anwesenden in einem gemeinsamen Plenum die Gelegenheit sich besser kennen zu lernen und über den Austausch ihrer Teilnahmemotivationen an dem Seminar miteinander ins Gespräch zu kommen. Die unterschiedlichen Erwartungen bezüglich der Sommerakademie, die geäußerten speziellen Themeninteressen und der individuelle hochschulpolitische Erfahrungshintergrund der Anwesenden wurden gut sichtbar auf Plakaten an den Wänden festgehalten.

Zweiter Seminartag: 29. August 2013
Der erste Workshop Bologna für Anfänger I am Vormittag begann mit einer Einführung in die grundlegenden Ziele der Bolognareform auf Landes- und Bundesebene. Der Referent Erik Marquardt vom freien Zusammenschluss der StudentInnenschaften (fzs) aus Berlin ging in seinem Vortrag auf die Gründungsidee und historischen Beschlüsse des Reformvorhabens ein und arbeitete dabei auch die tragende Rolle der Bundesrepublik heraus.
In seinem zweiten Vortragsteil am Mittag Akkreditierung was ist das? ging Erik Marquardt auf die Notwendigkeit und Praxis von Akkreditierungen ein. Er Vergleich die unterschiedlichen Arten der Durchführung von Akkreditierungsprozessen, die Rolle von Akkreditierungs-Agenturen und welche Zielsetzungen die Hochschulen verschiedener Bundesländer damit verfolgen. Ebenso erläuterte er, wie Studierende in diesem Prozess mitwirken können und wie diese sich dafür qualifizieren könnten.
Die freie Zeit für Workshops wurde mit einem Workshop von Carolin Moskopp-Wedekind gefüllt. Sie gab eine Anleitung zur Herstellung von kleinen Broschüren (zines) mit dem Kopierer. Die Teilnehmer*innen erarbeiteten ein kleines Heftchen, in dem einige zentrale Informationen der Bologna-Reform gesammelt und aufbereitet wurden.
Florian Kaiser aus Trier, mehrfacher Delegierter für die European Student Union (ESU), vertiefte in Workshop-Phase II am Nachmittag mit dem Titel Bologna für Anfänger II die Grundlagen zur Bologna-Reform. Dabei ging er auch auf spezielle Handlungsfelder und nachfolgende Reform-beschlüsse ein und gab einen Einblick in die unterschiedlichen Herausforderungen vor welchen die unterzeichnenden Länder und die vielen heterogenen Bildungssysteme in Europa standen. Herr Kaiser verglich die unterschiedlich schnelle Umsetzung der Bolognareform in diesen Ländern mit dem Stand des Reformvorhabens in der BRD.

Am Abend stand das Themenfeld Europa als Garant für Frieden und Stabilität im Mittelpunkt. Der Referent René el-Saman von der Friedensinitiative aus Bonn erläuterte die Rolle europäischen Handelns und die Bedeutung eines gemeinsamen transnationalen Bildungsraumes vor der Hintergrund der zivilgesellschaftlichen Zusammenarbeit und Verständigung der europäischen Völker.

Dritter Seminartag: 30. August 2013
Der dritte Seminartag begann mit einer kurzen Feedbackrunde zu den vorhergehenden Workshops. Es wurde abgefragt, ob die Konzeption der Workshop-Angebote mit dem thematischen Inputreferat, einer Nachfrage-Runde und dem anschließenden Raum zur Entfaltung eigener Ideen und Ansätze bisher der Erwartungshaltung der Teilnehmenden gerecht wurde oder diese überfordert hat.
In der Workshop-Phase III Masterplatz für alle? wurden von Nadja Brachmann aktuell drängende Probleme an den Hochschulen, wie die Abschaffung und das Auslaufen zahlreicher Studiengänge und Studiengangmodelle des Diplom- und Magisterzuges in den Mittelpunkt gestellt. Bei ihre Workshop griff Nadja Brachmann häufig auf die Erfahrungen der Teilnehmer*innen zurück, die teilweise selbst Erfahrungen mit der Schwierigkeit, einen Masterplatz zu bekommen, gemacht hatten.
In Kleingruppen wurden Argumente gesammelt, wie für Bachelor-Absolvierende ein Masterplatz gesichert werden kann und welche Argumente dafür sprechen, diese in ausreichender Anzahl zur Verfügung zu stellen, bzw. welche dagegen sprechen. Dabei ging die Referentin auch auf die Interessen der Hochschulen und Steuerungsinstrumente der Landes-Bildungsministerien ein, wie beispielsweise die Leistungsorientierten Zielvorgaben für Hochschulen von Seiten mancher Bundesländer wie in NRW.

Die Workshop-Phase IV mit dem Thema Studierendenvertretung für Anfänger*innen führte in grundlegende Gremien-Strukturen ein, in dessen Rahmen sich Studierende an den Hochschulen vor Ort engagieren können. Christoph Husemann, erläuterte die verschiedenen Entscheidungs-ebenen und berichtete über die eigene lokale und überregionale Gremienerfahrung. Dabei zeigte der Referent exemplarisch erfolgreich bearbeitete Themenfelder und Erfolge an verschiedenen Hochschulorten auf, wie die studentische Essensversorgung, Kinderbetreuung, hochschulnahe Öffentliche Verkehrsmittel und Wohnheimausstattung sowie Angebote für ausländische Studierende, welche die Anwesenden zu eigenem Engagement in Ihrer jeweiligen Hochschule und darüber hinaus motivieren sollte. Zu diesem Teil gab es viele Rückfragen, bei denen die Teilnehmenden die Verbindung zu ihrer eigenen Hochschule und der spezifischen Situation vor Ort hinzuzogen.

Christoph Husemann ging im zweiten Vortragsteil auch auf bestehende oder informelle Vernetzungsplattformen der Studierendenvertretungen unterschiedlicher Bundesländer ein, wie die Konvente in Süddeutschland, die zahlreichen Landes-Asten-Konferenzen (LAK), die unter verschiedenen Namen wie die KKS MV, KSS, KSSA, KTS oder das LAT NRW unterschiedlich benannt und organisiert sind. Diese Gremien waren bei den Teilnehmer*innen weniger bekannt, stießen aber aufgrund der sich daraus ergebenen Vernetzungsmöglichkeiten auf großes Interesse.
Auch der Abend stand im Zeichen von studentischem Engagement. Unter dem Titel Der FZS und die ESU stellen sich vor wurden Initiativen auf Bundes- und EU Ebene vorgestellt, welche auch einen Bogen zu zivilgesellschaftlich relevanten Themen spannten. Die Referentin Kathrin Petz aus Berlin von Urgewalt e.V. erläuterte wie Kampagnen geplant und gemanagt werden und wie sich Hochschulgruppen dadurch auch in übergeordneten Organisationen wie dem FZS und in der EU erfolgreich engagieren und Aufmerksamkeit generieren können.

Vierter Seminartag: 31. August 2013
Die Referentin Jacqueline Schramm eröffnete die fünfte Workshop-Phase mit dem Titel Bologna als Chance für Fachhochschulen. Im Mittelpunkt standen dabei die didaktische Zielsetzung von Bologna. Sie stellte zunächst das auf EU-Ebene vereinbarte Papier und die sich daraus ergebenen Folgen für deutsche Universitäten vor. Dabei ging sie auf spezielle Aspekte „Guter Lehre“ der Fachhochschulen im Unterschied zu den Universitäten ein. Sie stellte dabei einen klar verständlichen Bezug her, wie unterschiedlich Hochschulen die Bolognareform genutzt haben, um die Lehre neu zu gestalten und beantwortete zahlreiche Fragen zum Stellenwert der Hochschuldidaktik für Studierende. In ihrem Vortrag regte sie die Teilnehmer*innen dazu an, sich selbst damit auseinanderzusetzen, wie sie eigentlich lernen und wie sie dieses Wissen an Lehrende weitergeben können.

Am Nachmittag beschäftigten sich die Teilnehmer*innen mit Gendermainstreaming im Bolognaprozess unter dem Titel Akkreditierung als Chance für Geschlechterpolitik. In zwei Kleingruppen wurden Aspekte beleuchtet, wie dieses gesellschaftlich relevante Thema auch im Rahmen des Bologna-Reformprozesses mit vorangetrieben werden kann. Die Referentin Charlotte Obermeier aus Berlin nahm die Gedanken der Anwesenden auf und fasste viele Hürden in anschauliche Schlagwörter, warum an den Hochschulen und vor allem Fächerspezifisch und mit steigender Leitungsebene immer weniger Frauen an der Hochschulen und in Wissenschaftsorganisationen vertreten seien.

Die Podiumsdiskussion „Quo Vadis Bologna?“ am Abend schloß den Seminartag ab. Dort wurde lebhaft über die Zukunft der vereinheitlichten Bildungssysteme diskutiert. Thema waren auch die Verschulung der Studiengänge, Modularisierungen und die abnehmende Kompatibilität der Masterzüge, sowie die europaweite Mobilität der Studierenden. Ebenso ob die Forderungen des zurückliegend „Bildungsstreik“ inzwischen umgesetzt werden konnten oder weiterhin eine wünschenswerte Verbesserung des bestehenden Ausbildungs- und Bildungssystems sind.

Das Abendprogramm gestaltete Jan Deppenwiese. Er bot einen Workshop zu Mobilität an der Hochschule an und berichtete von seinen Erfahrungen in der Fahrrad-Selbsthilfe-Werkstatt Hubschrauber in Berlin. Damit konnte spontan noch ein Thema aufgegriffen werden, dass sich die Teilnehmer*innen zu Beginn des Seminars gewünscht hatten, da Mobilität insbesondere bei Universitäten, deren Gebäude weit auseinanderliegen, ein großes Thema für die Studierenden ist.

Letzter Seminartag: 01. September 2013
Der letzte Seminartag wurde dafür genutzt die erarbeiteten Ergebnisse nochmals in größerer Runde zu besprechen. Ein Team von 2 Personen aus jeder angebotenen Workshop-Gruppe wurde bestimmt, welche die Ergebnisse allen Anwesenden präsentieren und in eigenen Worten verdeutlichen sollte. Dabei wurde darauf geachtet, bevorzugt jene Studierende einzubinden und zu motivieren, welche sich während der Workshops eher zurückgehalten haben.
In Form eines Abschlussplenums hatten die Teilnehmer*innen nach dem Mittagessen Gelegenheit ihr Feedback zu verbalisieren und eine eigene Einschätzung darüber zu gaben, welche Kenntnisse und Fertigkeiten sie während der Sommerakademie erlangt haben. Dabei sollte ein Bezug zu der anfänglich von ihnen geäußerten Erwartungshaltung gezogen werden, welche auf Plakaten dokumentiert war.

Ergebnisse des Seminars
Die Teilnehmenden haben sich erfolgreich mit den Schwerpunkten der Bolognareform auseinandergesetzt. Am zweiten Tag konnte der Kenntnisstand der Teilnehmenden in Bezug auf die Reform-Ziele mit Hilfe der Workshops I+II auf ein gleiches Level gebracht werden. Damit wurden die Studierenden in die Lage versetzt die nachfolgenden Themenblöcke zur Akkreditierung, der Rolle von Studierendenvertretungen, des Kampagnenmanagements im FZS und das Themenfeld der Geschlechterpolitik vor dem Hintergrund der Refom-Ziele differenzierter zu bewerten.
Die Vorstellung des Ablaufs und der Notwendigkeit von Akkreditierungen hat bei einigen Teilnehmenden Interesse geweckt, sich selbstständig weitergehend mit diesen Verfahren zu beschäftigen und für ihre Fachgebiete fortzubilden. Erklärtes Ziel einiger Personen war, sich durch ihre jeweiligen Bundesfachschaftenkonferenzen bzw. die Zusammenschlüsse der Studierendenschaften auf Landesebene in den studentischen Akkreditierungspool entsenden zu lassen.
Die Information über die Problematiken bei der Umsetzung der Bologna-Reform möchten einige Studierenden dazu nutzen, selbst in den studentischen Gremien mitzuwirken, welche die Überarbeitung der Landeshochschulgesetzte in Baden-Württemberg, Nordrhein-Westfalen und Niedersachen begleiten.
Die Abschlussdiskussion machte deutlich, dass die Anwesenden die präsentierten Inhalte teilweise anspruchsvoll, jedoch auch sehr informativ empfanden. Einige äußerten, dass sie nach den Workshops gefordert waren, die angesprochenen Themen auch in den Abendstunden im Gespräch mit den Anderen Teilnehmer*innen nochmals zu reflektieren, um diese für sich einordnen zu können. Alle Teilnehmer*innen waren mit dem organisatorischen Ablauf zufrieden und begrüßten die gemeinsamen Aktivitäten beim Kochen und in den Abendstunden. Die Reflektion und Präsentation der eigenen Positionen und Ziele gegenüber Dritten, hat nach Aussage der eher zurückhaltenderen Studierenden dazu beigetragen, sich an ihren Hochschulorten in Zukunft etwas mutiger an den Diskussionsprozessen beteiligen zu wollen.

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